Organisationserkunden
Der Schlüssel zur tiefgreifenden Veränderung
In einer Zeit, in der Organisationen ständigen Veränderungen unterworfen sind, reicht es nicht aus, bloß auf äußere Entwicklungen zu reagieren. Es ist entscheidend, auch die internen Strukturen, Dynamiken und Prozesse zu verstehen. Dieser Prozess, das “Organisationserkunden”, ermöglicht es, tief in die Funktionsweise einer Organisation einzutauchen, ihre verborgenen Potenziale und Herausforderungen zu erkennen und so den Weg für tiefgreifende Veränderungen einzuleiten für tief gehenden Wandel.
Was ist Organisationserkunden?
Organisationserkunden ist ein strukturierten Vorgang, mit dem Organisationen ihre verborgenen Strukturen, Prozesse und kulturellen Dynamiken erforschen und dabei unmittelbar in neues Verhalten und Muster umsetzen.
Ziel ist es, Herausforderungen zu identifizieren, Potenziale zu entdecken und gezielte Verbesserungen abzuleiten. Sehr oft startet bei diesem Vorgang ein Transformationsprozess von selbst. Wandel kann deshalb eintreten da sich die beteiligten Personen im Denken, Fühlen und Handeln erleben.
Nur mal angenommen:
Wie wäre es, wenn Veränderungen gemeinsam und aus eigenem Antrieb entstehen, statt von Experten mühsam gegen Widerstände durchgesetzt zu werden? Erfahrungen zeigen, dass durch ein wohlwollendes Erkunden seines Systems, einer Organisation, Veränderungen häufig ganz natürlich und von selbst eintreten.
Abb: Organisationserkunden © Anton Jessner
Die Organisationserkundung
Das Organisationserkunden erfolgt mit Hilfe von sogenannten Organsisationserkundungen. Eine Organisationserkundung ist eine sehr effektive Methode. Aspekte davon werden nachfolgend beschrieben.
Beobachtung als Ausgangspunkt
Ein zentrales Element des Organisationserkundens ist die Beobachtung der Beteiligten in einer sogenannten Erkundung. Durch das bewusste Beobachten von Abläufen, Strukturen und Beziehungen innerhalb einer Organisation werden tiefgreifende Einsichten gewonnen. Hierbei spielt die Selbstbeobachtung eine wichtige Rolle: Führungskräfte und Mitarbeitende nehmen ihre eigenen Verhaltensmuster, Rollen und Entscheidungsprozesse unter die Lupe. Sie bekommen ein Bild ihrer Organisation, oder genau genommen ihres Systems. Man könnte bei einer Erkundung auch von einem bildgebenden Verfahren sprechen.
Im Rahmen von Reflexionsräumen können nach einer Erkundung Handlungen hinterfragen und daraus neue Erkenntnisse gewonnen werden. Aber auch neue Sichtweisen, neue Möglichkeiten und neue Potentiale angeboten werden. Dies eröffnet den Raum für bewusstere Entscheidungen und kann zu Veränderungen führen, ohne dass dafür explizite Interventionen notwendig sind. Die bloße Teilnahme als Beobachter:in einer Erkundung kann:
- Selbstreflexion anstoßen,
- verborgene Dynamiken und Muster sichtbar machen,
- Verhaltensänderungen fördern,
- neue Narrative über die Organisation liefern,
- neue Selbsterzählungen über sich selbst hervorrufen,
- den Raum für achtsame Wahrnehmung schaffen.
Das Beobachten des Beobachtens
Ein faszinierender Aspekt des Organisationserkundens ist das Beobachten des Beobachtens. Man kann sich also selbst dabei zuschauen, was mit einem passiert. Damit ist man leichter in der Lage Veränderungsimpulse anzunehmen. Ich kann mir selbst dabei zuschauen, wie ich mich im meiner Organisation verhalte und was sich sich in der Organisation bewegt.
Dieser mehrschichtige Prozess der Reflexion führt zu einer tiefergehenden Selbstwahrnehmung, sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene. Führungskräfte und Teams erkennen, wie sie sich selbst und ihre Umgebung möglichst wertfrei wahrnehmen und hinterfragen, ob diese inneren Bilder förderlich oder hinderlich sind.
Diese inneren Bilder können durch gezielte Methoden verändert werden, was weitreichende Auswirkungen auf die Organisationskultur hat. Zwei Ansätze sind hierbei besonders wirksam:
- Positive Visualisierung: Teams entwickeln neue Bilder, die besser zu ihren Zielen und Werten passen. So kann beispielsweise ein Team, das sich als isoliert empfindet, beginnen, sich als integraler Teil der Organisation zu sehen, was das Verhalten und die Zusammenarbeit positiv beeinflusst. Beispielsweise brachen systemische Spannungsfeld einen Ausgleich. Ist etwa das Verhältnis von Geben und Nehmen ausbalanciert. Wie wird Autonomie versus Verbundenheit gelebt. Wo wäre was zusätzlich hilfreich, damit mehr Potential entsteht. Wie ist das Verhältnis von Führung zu Mitarbeitenden zum Kundensystem.
- Geschichten und Narrative: Organisationen sind geprägt von den Geschichten, die über sie erzählt werden. Durch die bewusste Veränderung dieser Geschichten kann eine Organisation ihre Selbstwahrnehmung und Kultur transformieren. Welche inneren Bilder und Metaphern kommen während einer Erkundung und welche Schlüsse können aus diesen Inneren Visualisierungen gezogen werden.
Veränderung als gruppendynamischer Prozess
Organisationserkunden ist nicht nur ein individueller, sondern vor allem ein kollektiver Prozess. Erkundungsprozesse fördern eine kollektive Bewusstwerdung darüber, wie in der Organisation gearbeitet wird. Dies schließt Fragen ein wie: Wie werden Entscheidungen getroffen? Wie entstehen und lösen sich Konflikte?
Ein Konzept, das in diesem Zusammenhang besonders hilfreich ist, ist die Gruppendynamik während einer Erkundung. Die kollektive Reflexion der Arbeitsweise und Dynamiken innerhalb der Organisation kann zu einer Neuorientierung in der Zusammenarbeit führen. Durch die Beobachtung des eigenen Verhaltens und der Interaktionen in der Gruppe wird ein tieferes Verständnis darüber gewonnen, wie bestehende Strukturen die Zusammenarbeit beeinflussen.
Wichtig: Wir unterhalten uns mit dem System Organisation anstelle über andere Menschen!“
Das hat eine ganz neue Dimension und Qualität, weil es viel leichter angenommen werden kann.
So werden in schwierigen Situationen keine neuen Konflikte ausgelöst, sondern im Gegenteil konstruktives Handlungsoptionen angeboten.
Doppelt verdeckte Aufstellungen und Systemische Wiedererkennung
Ein spannendes Werkzeug im Organisationserkunden ist die doppelt verdeckte Aufstellung.
Diese Methode stellt sicher, dass die Fallbringer, wir nennen die Anliegengebende der Erkundung wissen, dass die Stellvertreter (auch Elemente einer Aufstellung genannt) nicht wissen, welche Aspekte sie repräsentieren. Dadurch werden Vorannahmen und Erwartungen ausgeschlossen, was die Sicht auf unbewusste Dynamiken im System eröffnet.
Anliegengebende sind bei Erkundungen nie als Elemente involviert. Sie beobachten was die Elemente erzählen. Wie sich sich verhalten und welche Bilder und Metaphern aufkommen.
Während einer solchen Aufstellung geben die Stellvertreter durch körperliche Empfindungen oder emotionale Reaktionen Hinweise auf verborgene Potentiale, Spannungen, Besonderheiten, Dynamiken und Konflikte. Dies ermöglicht eine tiefere Einsicht in das System und kann helfen, Blockaden oder ungelöste Konflikte ans Licht zu bringen. Einige Merkmale dieser Methode:
- Verdeckte Rollen: Die Teilnehmer wissen nicht, welche Position sie repräsentieren. Das minimiert Vorurteile.
- Verdecktes Anliegen: Auch die Fragestellung, die der Aufstellung zugrunde liegt, bleibt verdeckt. Dadurch werden bewusste Beeinflussungen vermieden.
Durch diese Methode wird das System allmählich sichtbar und ermöglicht die Wiedererkennung von Mustern, die zuvor verborgen waren.
Und ja, der Vorgang des Beobachten des eigenen Systems funktioniert immer, immer mit einem Wiedererkennungseffekts und immer mit einem Aspekt des Neuen.
Das heißt:
Man befindet sich im eigenen Film und gleichzeitig in einem neuen Film seiner selbst und seiner Organisaiton.
Wiedererkennung und Abduktion: Hypothesenbildung im systemischen Kontext
In meinem Prozess des Organisationserkundens spielt auch die Abduktion eine entscheidende Rolle. Hierbei handelt es sich um einen kreativen Denkprozess, bei dem auf der Grundlage von unvollständigen Informationen plausible Hypothesen formuliert werden. Im Gegensatz zur Deduktion (Ableitung von Regeln) oder Induktion (Verallgemeinerung von Beobachtungen) erlaubt die Abduktion, neue und kreative Lösungen zu entwickeln.
Erst die Wiedererkennung von Mustern und Dynamiken ermöglicht es, diese abduktiven Schlüsse zu ziehen. Ohne die systemische Beobachtung blieben viele dieser Phänomene unsichtbar. Durch das Zusammenspiel von Wiedererkennung und Abduktion können innovative Handlungsoptionen entstehen, die tiefere Veränderungen im System ermöglichen.
Zwei Aspekte machen es einfach neue Möglichkeiten anzunehmen:
In dem niemand sagt, “so ist es”, kann ein “könnte es sein, dass …” angenommen werden.
und
Empfehlungen kommen nicht von Experten, sondern werden aus den Erzählungen des Systems abgeleitet.
Transformation durch Bewusstwerdung
Wie verändert nun das vielgerühmte Neue die Welt?
Ein wesentlicher Effekte des Organisationserkundens ist die Bewusstseinsveränderung. Dieser Prozess betrifft sowohl die individuelle als auch die kollektive Ebene. In systemischen Aufstellungen und dynamischen Gruppenprozessen erkennen die Beteiligten unbewusste Verstrickungen, die ihr Verhalten und ihre Entscheidungen beeinflussen. Diese Erkenntnis führt zu einem neuen Selbstverständnis und kann sowohl die Wahrnehmung als auch das Verhalten nachhaltig verändern.
Bewusstseinsveränderung hat nichts mit Esoterik zu tun, sondern mit neuem Wissen das ad hoc verankert wird. Eher mit verankerter Klarwerdung. Ich gehe nach einer Erkundung mit einer anderen Weltsicht heraus, als ich hineingegangen bin.
Wenn mit beispielsweise klar wird, welche Aspekte eine neue junge Führungskraft mit den Teams gemeinsam auslöst, so kann ein vorhandene Verletzung des Senioritätsprinzip (längere Zugehörigkeit vor kürzerer Zugehörigkeit) gesehen und bearbeitet werden.
Die Bewusstseinsveränderung vollzieht sich dabei auf mehreren Ebenen:
- Kognitiv: Die Teilnehmer verstehen die Dynamiken im System und reflektieren diese bewusst.
- Emotional: Die emotionale Ebene spielt eine zentrale Rolle in der Veränderung. Das Empfinden der emotionale Verstrickungen führt zu einer neuem im Umgang mit Empfinden und bringt auch hier Klarheit.
- Verhaltensebene: Durch die veränderte Bewusstheit entstehen oft neue Verhaltensweisen, die tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen bewirken.
Fazit: Organisationserkunden als Weg in und durch die Transformation
Das Organisationserkunden ist mehr als nur eine Analyse. Es ist ein dynamischer Prozess, der die Grundlage für tiefgreifende Veränderungen auf individueller und kollektiver Ebene schafft. Durch die systematische Beobachtung, die Wiedererkennung von Mustern und die kreative Abduktion von Hypothesen wird es möglich, neue Handlungsspielräume zu eröffnen und nachhaltige Veränderungen zu initiieren.
Dieser Ansatz hilft Organisationen nicht nur, verborgene Konflikte und Dynamiken sichtbar zu machen, sondern auch innovative Lösungen zu entwickeln. Letztlich trägt das Organisationserkunden dazu bei, Organisationen in die Lage zu versetzen, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und auf Veränderungen zu reagieren – und das auf eine Weise, die von innen heraus getragen wird.
Ausblick
Ich bin infosyon zertifizierter Professional für Management- und Organisationsaufstellungen.
Ich bin ein erfahrener Spezialist für Organisationsentwicklung, der seine Expertise in Gruppendynamik und Organisationserkundungen gezielt einsetzt, um Transformationen auf allen Ebenen voranzutreiben. Mit einer fundierten Ausbildung als Gruppendynamiker (ÖAGG) und langjähriger Erfahrung versteht er es, Team- und Führungsdynamiken zu entschlüsseln und nachhaltig zu verändern. Mein Fokus liegt darauf, komplexe Führungsthemen in Organisationen sichtbar zu machen und durch gezielte Interventionen eine Kultur der Zusammenarbeit zu schaffen.
Meine Arbeit hat in zahlreichen Branchen High-Performance-Teams geformt und Management und Teams erfolgreich zusammengeführt. Mein Ansatz ist praxisnah, zielorientiert und immer darauf ausgelegt, echte Veränderung zu bewirken.
Next steps
- Wenn Sie mehr über die Mächtigkeit der Orgnisationserkundung erfahren möchten, stehe ich Ihnen für ein unverbindliches Erstgespräch zur Verfügung. Kontaktieren Sie mich gerne, um mehr über meine Ansätze und mögliche Lösungen für Ihre Herausforderungen zu erfahren.
Weitere Literatur zum Thema
von Professor Georg Müller-Christ, 2018, Springer Berlin